Donnerstag, 1. Dezember 2016

Neues von der Gründungsfront

In den letzten Wochen ist wieder eine Reihe von neuen Studien über Startups und Gründer erschienen, über die es sich zu bloggen lohnt. Nicht dass sich besonders viel Sensationelles getan hätte. Zumindest für Deutschland gilt weiterhin, eine echte Dynamik und Steigerung der Gründungszahlen ist nicht zu erwarten. Aber trotzdem, ein paar Details sind durchaus interessant.

Zum Beispiel wurde im November der European Startup Monitor veröffentlicht, der in den meisten europäischen Ländern ein stärkere Internationalisierung der Gründung beobachtet. Deutlich mehr Gründer haben eine andere Nationalität als die des Landes, indem sie gründen. Eine stärkere Internationalisierung lässt sich auch für Deutschland beobachten, wie der ebenfalls vor kurzem erst veröffentlichte Deutsche Startup Monitor fest stellt, hier allerdings insbesondere für die stärker internationale Belegschaft der Startups. Und auf diesem Zug sind ja auch eine Reihe von Initiativen aufgesprungen, die, wie zum Beispiel in Berlin, Gründer weltweit vernetzten und für ihren jeweiligen Standort gewinnen wollen.

Erst in der vergangenen Woche hatte das Bundeswirtschaftsministerium eine neue Studie veröffentlicht, die zeigt, wie Gründung aktiv die Menschen mit ausländischen Wurzeln in Deutschland sind. Ein Kollege von mir war auf der Veranstaltung, auf der die Studie präsentiert wurde. Er war insbesondere beeindruckt von den persönlichen Berichten einiger Gründerinnen und Gründer, die auf der Veranstaltung auftraten. Die Botschaft wird in Deutschland gern gehört, wie diverse Medienberichte über die Studie zeigen, ich zum Beispiel hier im Spiegel oder auf bento. Allerdings muss man auch sehen, dass die allermeisten Gründungen von Personen mit ausländischer Herkunft in Deutschland im Bereich Handel oder Dienstleistungen liegen, also nicht unbedingt bei den Hochtechnologien. Aber das ist natürlich auch für deutsche Gründerinnen und Gründer so. Würde man die leicht ansteigende Zahl der ausländischen Gründungen aus der Gesamtzahl herausrechnen, so wäre der deutsche Gründungstrend übrigens noch negativer.

Lustig fand ich, wie der deutsche Startup Monitor aus der wachsenden Zahl an Startups, die er mittlerweile auf seinem Radar hat, auf eine Diversifizierung der Szene schließt. Aus eine Dominanz weniger Gründungsmetropolen wie Berlin und München wird jetzt eine vielfältige Landschaft, die sich über diverse Städte in ganz Deutschland erstreckt. Mir scheint dies eher eine Frage der Methodik und der damit erreichten Grundgesamtheit zu sein als tatsächlich ein Indiz für einen Trend hin zu einer vielfältigeren Szenen. Andere Medien jedoch machen daraus den Aufruf an potentielle Gründerinnen und Gründer, nicht nach Berlin zu gehen, sondern nach zum Beispiel Aachen.

Und tatsächlich ähnlicher praktisch flächendeckend alle Kommunen, Regionen, Länder und Staaten darum, ihre lokale Gründerszene zu stärken. Ob das aber manchmal vergebliche Liebesmüh ist, fragt sich die nachfolgende Studie, die Faktoren zur Gründungsneigung untersucht hat und zu dem Schluss kommt, dass der familiäre Hintergrund, aber sogar auch grundsätzliche Dispositionen die Gründungsneigung befördern sollen. Zum Gründer geboren? Dann wäre möglicherweise tatsächlich so manche politische Initiative vollkommen vergeblich, weil an ein Zielpublikum gerichtet, dass nie zum Gründer entwickelt werden kann. Und dann wäre natürlich auch der letzte Hoffnunganker ein Zuzug vieler gründungsgeeigneter Menschen.

Ich vermute hinter den unterschiedlichen Gründungsdynamiken ja eher systemische Faktoren, die von Arbeitsmarktregelungen über kulturelle Wertungen hinsichtlich der Selbständigkeit bis hin zu vorherrschenden Branchenstrukturen reichen. Und außerdem lässt sich zumindest für die westlichen Industrieländer auch ein ziemlich ähnlicher Trend, wenngleich auch von einem unterschiedlichen Ausgangsniveau, beobachten. Nämlich der Trend nach unten.

Ich war kürzlich auf einer Veranstaltung von Innovationsökonomen, die darin zum Teil einen weiterer Beleg dafür gesehen haben, dass wir es tatsächlich mit so etwas ähnlichem wie einer sekulären Stagnation zu tun haben, dass also der Innovationsmotor insgesamt mehrere Gänge zurückgeschaltet hat. Am zurückgehende Produktivitätswachstum können man das gut festmachen.

Womit ich bei meinem letzten Thema wäre. Die OECD hatte im vergangenen Jahr dem Produktivitätswachstum eine eigene größere Studie gewidmet. Bislang ist sie in deutschen Medien nur wenig rezipiert worden, gerade erst habe ich einen Artikel im Economist gelesen, der jetzt, ein Jahr später, auf diese Studie verweist. Und auf der eben erwähnten Veranstaltung war auch ein Vertreter der OECD, der seine persönliche Meinung zum rückläufigen Produktivitätswachstum und insbesondere zur rückläufigen Innovationsneigung deutscher mittelständischer Unternehmen kundtat. Seiner Meinung nach könnte dies auch durch den zu schwachen Innovationsdruck auf deutsche Unternehmen kommen, der insbesondere in den letzten 10 bis 15 Jahren durch den Euroraum und den daraus für deutsche Unternehmen stehenden Wettbewerbsvorteil entstanden ist. Fehlt es also an Krisen, um wieder innovativ zu werden? Dann wären ja die letzten Meldungen aus Wolfsburg und anderen automobilen Zentren eher Anlass zur Hoffnung. Aber das ist dann doch irgendwie paradox.

 

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