Samstag, 21. Oktober 2017

Nudging und Europa

Das Thema Nudging hat wieder Konjunktur. Seit der amerikanische Ökonom Richard Thaler Anfang Oktober den Wirtschaft Nobelpreis gewonnen hat , wird nicht nur die Verhaltensökonomie in vielen Blog-Beiträgen erläutert , sondern auch der Ansatz von Thaler, unvernünftige Menschen durch einen kleinen Stups wieder in Richtung rationalem Verhalten und damit zurück zum homo oeconomicus zu bringen. Manche Beiträge unterstellen Thaler deswegen ein dezidiert technokratisches Politikverständnis, und dies ist dann nicht unbedingt nett gemeint.

Wobei Technokratie nicht in allen Weltgegenden einen schlechten Ruf hat. Eine aktuelle Studie von Pew Research sagt, dass insbesondere in Ländern, in denen die Bevölkerung eher enttäuscht von ihrer Regierung ist, eine technokratische Regierung von Experten durchaus große Sympathien hätte.  Demokratie alleine macht nicht glücklich, wenn die demokratisch gewählten Volksvertreter nur Mist bauen. Und es gibt viele Länder, in denen man diese Haltung sehr gut verstehen kann. In anderen hat man so seine Zweifel.

Bis zu einem gewissen Grad reitet auch Donald Trump auf dieser Welle, wenn er gegen das Polit-Establishment wettert. Und andere tun es ihm nach. Heute abend erst wurden die Ergebnisse der Wahlen in Tschechien bekannt, und auch hier scheint ein Populist, der sich als Politik-Outsider, als Unternehmer, als Experte geriert, erfolgreich. Das ist die populistische Seite des technokratischen Versprechens. Die andere ist die autoritäre, wie in Russland oder Peking, oder eben die der Sachverständigen Verwaltung.

Es gab einen nette Studie, die zeigen wollte, dass Belgien, das lange Zeit auf eine funktionierende Regierung wartete, in dieser Interims-Periode deutlich besser und erfolgreicher regiert wurde, als in der Zeit, als Politiker tatsächlich das Sagen hatten. Allerdings, glaubt ernsthaft jemand, das Verwaltung Politiker setzen kann? Zeigt das, dass Experten die besseren Politiker sind? Zeigt das, das Platon doch recht hatte?

Zumindest ist die Expertokratie in solchen Beispielen eher ein Pluspunkt. Sachwissen ist der Schlüssel für die richtige Entscheidung. Da würde sich die Europäische Kommission sicher freuen, wenn solch ein Politikverständnis auch in Europa etwas weitere Verbreitung finden würde. Natürlich nicht ein antidemokratisches, aber eines, das die Vorzüge technokratischer Politikgestaltung zumindest etwas würdigt. Denn nichts anderes ist die Kommission im Moment, ein im Guten wie im Schlechten Sinne technokratisch Institution. Zwar kämpft sie darum, ihre demokratische Legitimität zu steigern, indem z.B. der Kommissionspräsident vom Europäischen Parlament gewählt wird. Aber gegen die Mitgliedstaaten, die den intergouvernementalen Ansatz in den letzten Jahren noch gestärkt haben, kommt die Kommission kaum an. Im Moment hat die Diskussion in Europa wieder etwas an Schwung gewordenen, nach Jean-Claude Juncker hat sich Emmanuel Macron zu Wort gemeldet, hier hat die Zeit die unterschiedlichen Visionen von Europa zusammengetragen.

Damit hier keine Missverständnisse aufkommen. Europa ist der richtige Weg, um Politik zu gestalten. Und Fachkompetenz innerhalb der Europäischen Verwaltung ist sicher eine zentrale Voraussetzung dafür, dass gute Politik gemacht wird. Aber weiterhin steht die europäische Politik unter dem Generalverdacht, Technokraten-Politik zu sein. Und weiterhin sind alle Versuche, die Bürger mit einem kleinen Stups zum richtigen Verhalten zu bewegen, schnell der Auslöser für einen großen Shitstorm.

in diesem Sinne hat Richard Thaler uns Europäern viel zu sagen.

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