Samstag, 6. August 2016

Zeigt der Brexit das Versagen wissenschaftlicher Politikberatung?

Das ist ein ganz schön langer Kater. Auch Wochen nach dem Brexit-Referendum hält der Kopfschmerz an. Die britische Wissenschaft macht sich massive Sorgen um die Folgen für Forschung in Großbritannien. Ich hatte darüber in einem früheren Blogbeitrag berichtet. Und aktuelle Artikel zeigen, dass diese Sorgen eher zu nehmen. Britische Wissenschaftler fragen sich mittlerweile aber auch, warum ihre guten Argumente gegen einen Brexit nicht ausreichend dafür gesorgt haben, die Bevölkerung umzustimmen. Honorige Nobelpreisträger hatten alle Argumente zusammengetragen, warum der Brexit wirtschaftlich eine Katastrophe sein könnte. Ohne Erfolg. Sozialwissenschaftler hatten gezeigt, dass Einwanderung kein Problem, sondern ihr eine Lösung für das britische Sozialsystem sein könnte. Die Mehrheit der Wähler und insbesondere die meinungsgebenden Medien waren anderer Ansicht. Ist wissenschaftliche Politikberatung also unnütz und ohne Effekt?

Es gibt durchaus die Meinung, dass der Konsensus der Wissenschaft über die wirtschaftlichen Folgen eines Brexit so groß durchaus nicht wahr.  Die Aussagen über mögliche Folgen wichen relativ stark voneinander ab, und dies hat  die Wirkung der  wissenschaftlichen Expertise auf die Debatte durchaus geschwächt.

Andere Wissenschaftler haben den Eindruck, dass ein ausreichender Konsens der Wissenschaft über die wirtschaftlichen Folgen eines Brexit durchaus da waren, dass die Medien aber der wissenschaftlichen Meinung zu wenig Platz eingeräumt hätten.

Angesichts der Welle rechtspopulistischer Erfolge in anderen europäischen Staaten und des Erfolgs von Donald Trump im PräsidentschaftsVorwahlkampf geht eine weitere Diskussion darüber, ob Globalisierungsverlierer ausschlaggebend für den Brexit -Erfolg waren. Eine Reihe sozialwissenschaftlichen Analysen des Wählerverhaltens in unterschiedlichen britischen Regionen scheint diese These zu stützen. Andere Studien  beschreiben die Gruppe der  Brexit-Befürworter etwas allgemeine als  "left behind". Dieser Artikel wiederum geht davon aus dass spezifische Werteinstellung ausschlaggebend für das Abstimmungsverhalten waren. Bei der Suche nach den Gründen für das Brexit-Desaster scheint die Wissenschaft also etwas erfolgreicher zu sein.

Etwas hilflos ist "die Wissenschaft", soweit es die denn gibt, bei der Frage, was für Lehren denn aus dem Brexit zu ziehen sind. Diese Frage stellte die Zeitschrift Science fünf renomierten Wissenschaftlern aus Europa, und die Antworten sind, folgt man diesem Blogbeitrag, eher enttäuschen. In der Regel plädieren die Wissenschaftler dafür, ihr spezielles Steckenpferdchen mit noch mehr Fördergeldern zu stärken. Einen wirklichen Lösungsansatz hatten sie nicht parat.

P.S.  ... und die Debatte um notwendige Änderungen bei der wissenschaftlichen Politikberatung geht weiter, hier z.B. für die Ökonomen ...

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