Freitag, 23. Oktober 2015

Innovationen - one size fits all?

Im Oktober, auf ihrem Ministertreffen in Korea, stellte die OECD ihre überarbeitete Innovationsstrategie 2015 vor. Im Vergleich zur ersten Innovationsstrategie von 2010 sind hier neueste Ergebnisse aus diversen OECD Projekten eingeflossen. Interessant ist, welche Punkte die OECD selbst auf ihrer Website hervorhebt.

Da ist einerseits die langfristige Orientierung staatlicher Investitionen in Forschung und Entwicklung. Mich erinnert das an die Argumentation von Marianna Mazzucato in ihrem Buch über den Entrepreneurial State, in welchem sie die besondere Bedeutung staatlicher Investitionen in Grundlagenforschung am Beispiel eines iPhones erklärt. Viele, viele Jahre, nachdem der Staat in diese Grundlagenforschung investiert hat, zeigt sich erst der marktwirtschaftliche Erfolg von Produkten, die diese Technologien implementiert haben.

Als zweiten Punkt hebt die OECD heraus, dass eine steuerliche F&E Förderung wohl doch nicht der Weisheit letzter Schluss ist, dass also direkte Fördermaßnahmen möglicherweise eine zielgerichtetere Politik versprechen. Da steht Deutschland mit seinem aktuellen policy mix dieses Mal auf der richtigen Seite, wenn auch nicht ganz freiwillig.

Und schließlich betont die OECD einmal mehr die Wichtigkeit einer reflektierten Innovationspolitik, also die Rolle von Evaluation und Monitoring des eigenen Tuns. Das ist natürlich Musik in den Ohren eines Evaluators.

In den letzten Jahren stand die OECD zunehmend vor der Herausforderung, dass aufgrund der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten die Gruppe ihre Mitglieder immer heterogener wird. Es wird schwieriger, einen gemeinsamen Nenner zu finden, Empfehlungen zu formulieren, die für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen gelten. Diesen schmalen Grad versucht auch die neue OECD Innovationsstrategie. Möglicherweise ist das aber gar nicht die Lösung, möglicherweise liegt gerade in der Heterogenität, in den Unterschieden das Geheimnis des Erfolgs.

Auf diese Idee bin ich gekommen als ich kürzlich zwei sehr interessante Artikel las beziehungsweise wieder las. Der eine Artikel, der im April diesen Jahres erschien und von Alberto Botta ist, beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit Ungleichheit und Innovation zusammenhängt. Schön ist der Artikel einerseits, weil er die Diskussion um Mazzucatos Buch ebenso aufgreift wie die Diskussion um evolutionäre Ansätze der volkswirtschaftlichen Betrachtung von Innovationssystemen (varieties of capitalism). Die Kernthese des Artikels ist, dass es mehrere Gleichgewichtszustände geben kann, die zum Teil zu mehr oder auch zu weniger Ungleichheit führen, unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Innovationssystems. Dass die USA besonders innovativ und gleichzeitig besonders ungleich sind, ist für den Autor eher ein zufälliges Zusammentreffen unterschiedlicher Faktoren. Die Ungleichheit führt er wesentlich auf den Erfolg des Shareholder Value Ansatzes zurück, weniger auf die Frage, ob nur in Systemen, die Ungleichheit als Motivationsquelle für unternehmerisches Handeln sehen, Innovationsdynamik entfaltet werden kann. Innovationssysteme können also in ganz unterschiedlichen Modi stabil und funktional sein.

Ein zweiter Aufsatz mit dem schönen Titel "Können wir alle nicht etwas mehr wie Skandinavier sein", der aus dem Jahr 2012 stammt, beschäftigt sich noch expliziter mit unterschiedlichen Innovationsregimen und ihrer gegenseitigen Abhängigkeit. Die zentrale These lautet, dass die schöne heile Welt der skandinavischen Wohlfahrtsstaaten, die zwar innovativ, aber auch sehr teuer sind, nur deshalb funktioniert, weil es auf der anderen Seite aggressive, innovative und ungleiche Staaten wie die USA gibt, aus denen die echt radikalen Innovationen stammen. Implizit wird hier ein bisschen das Hohelied des amerikanischen Unternehmertums gesungen. Der erste Artikel, den ich oben erwähnte, setzt sich übrigens recht kritisch mit dieser Ausgangshypothese auseinander und zitiert eine ganze Reihe von Literatur, die zentrale Argumente entkräftet.

Mir geht es aber um einen anderen Punkt. Vielleicht müssen wir die Welt ja als ein großes Innovations-Ökosysteme verstehen, in dem unterschiedliche Staaten unterschiedliche Nischen besetzen und nur in der gegenseitigen Interaktion dauerhaft erfolgreich sein können.

In diesem Fall hätte Deutschland vielleicht schon seine Nische gefunden. Es wäre nicht notwendig, der amerikanischen Gründungskultur blind nachzueifern und zu erwarten, dass hier wie auf der anderen Seite des Atlantik junge Firmen auf dem Boden schießen, schnell wachsen, und endlich traditionelle Firmen verdrängen. Vielleicht ist die evolutionäre Anpassung des deutschen Mittelstands der angemessener Weg für die deutsche Innovations Nische?

Andererseits, wir wissen von Ökosystemen (wenn wir bei dieser Analogie bleiben wollen), dass es nie einen dauerhaften Gleichgewichtszustand gibt. Immer verändern sich einzelne Faktoren, Teile des Ökosystems müssen sich anpassen. Auf jeden Fall ist ein one size fits all nicht die richtige Devise.

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