Samstag, 16. Januar 2016

Daten und arabischer Frühling

Die Weltbank hat gerade einen interessanten Artikel zu Stärken und Schwächen von Daten bei der Interpretation politischer Situationen veröffentlicht. Anlass sind 5 Jahre arabischer Frühling. Dieser kam damals ziemlich plötzlich, zumindest aus Sicht der politischen Entscheider, die eigentlich von einer relativ stabilen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den Ländern Nordafrikas ausgingen. Dazu verleiteten zumindest die klassischen Daten wie Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes, Kindersterblichkeit, Alphabetisierungsraten und ähnliches. Gleichzeitig waren andere Daten zur subjektiven Einschätzung der eigenen Lebenssituation, wie die Weltbank in Ihren Artikel zeigt, deutlich abgerutscht. Ein Anzeichen dafür, dass die Länder eine Krise  entgegentaumelten? Aus dem Rückblick ist dies leicht gesagt. Damals wurde den Beratern der Weltbank von den politischen Entscheider Nordafrikas entgegengehalten, dass die objektiven Daten doch sehr positiv sein.

Man kann diese Daten allerdings auch anders interpretieren. Vor 4 Jahren, zum ersten Jahrestag der arabischen Revolution, erschien in der Zeit ein erstes Resümee, in dem der französische Soziologe Emmanuel Todd zu Wort kam. Dieser hatte mit eben jenen Daten zu einer steigenden Alphabetisierungsrate, sinkende Geburtenraten und ähnlichen soziodemografischen Trends vorausgesagt, dass sich ein Potenzial für soziale Unruhen in den arabischen Ländern aufbauten.

Noch stärker auf einen einzigen soziodemografischen Faktor verweisen Vertreter der sogenannte youth bulge -These wie Gunnar Heinsohn, die den Überschuss an insbesondere jungen Männern in den arabischen Ländern als Ursache für den arabischen Frühling ausgemacht haben. Die Zeit hatte Heinsohns Thesen bereits 2004 mit Verweis auf andere Studien sehr kritisch kommentiert.

Man muss aufpassen. Hier kommen zwei verschiedene Diskussionsstränge Zutaten zusammen. Auf der einen Seite werden Daten als Indikatoren genutzt, um bestimmte Situation richtig zu interpretieren. Zum Beispiel für die subjektive Einschätzung der eigenen Lebenssituation.  Auf der anderen Seite verweisen Daten auf mögliche Faktoren, die zu diesem Situation geführt haben. Sind z.B.  junge Männer in großer Zahl Schuld an sozialen Unruhen? Ist ein höherer Bildungsgrad, der sich an einer entsprechend steigenden Alphabetisierungsrate ablesen lässt, Ursache für mehr politische Beteiligung?

Da vermutlich nicht ein einziger Faktor zum Arabischen Frühling  geführt hat, wird es schnell unübersichtlich. Es gibt eine ganze Reihe von "Stressfaktoren", die zu einer Situation führen, die plötzlich in einer Revolution mündete. Als Stressfaktoren im Zusammenhang mit dem arabischen Frühling genannt wurden natürlich diktatorische Regime, aber auch durchaus der Klimawandel.

Als Frühindikatoren eignen sich diese Faktoren allerdings nicht. In manchen Ländern führen sie zu Umwälzungen, in anderen nicht.

Einen anderen Weg gehen Ansätze der Big Data Analyse sozialer Systeme, wie sie beispielsweise im Projekt FutureICT in Zürich bearbeitet werden sollten. Äußerungen in sozialen Netzwerken sollen hier ausgewertet werden, um Ereignisse wie den arabischen Frühling vorauszusagen. Interessanter Weise ist der geistige Vater des Projekts Dirk Helbing einer der Initiatoren des "digitalen Manifests", über das ich kürzlich berichtete. Dort wird gerade vor der politischen  Manipulation mithilfe digitaler Werkzeuge gewarnt. Ein gewisser Widerspruch?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen