Freitag, 28. November 2014

Corporate Venture und veränderte Innovationssysteme

Investitionsstau allüberall. Keine Investitionen in Investitionsgüter und Anlagen, keine Investitionen in Infrastruktur, und leider auch keine Investitionen in Startups.

Der klassische Venture Capital Markt in Deutschland ist weiter eher scheintot, das zarte Pflänzchen Crowdinvesting könnte durch einen rigiden Kleinanlegerschutz gerade ausgetrocknet werden, nur eine Finanzierungsquelle für junge Unternehmen scheint eher größer zu werden: Corporate Venture, also die Investitionen von großen Konzeren in Gündungsideen.

Zumindest hat der Economist in einem gerade veröffentlichten Artikel die wachsende Zahl und Bedeutung von Corporate Venture Aktivitäten beschrieben (siehe auch hier) und den Eindruck hinterlassen, dass da richtig die Post abgeht. In Berlin muss man auch dieses Gefühl haben, wo doch ein Konzern nach dem anderen seinen Inkubator eröffnet.

Corporate Venture tut sich aber nicht unbedingt leicht mit der Gründungsunterstützung. In Gründerszene hat gerade Jan Beckers sechs Gründe aufgeführt, die eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Gründern und großen Unternehmen bisweilen schwierig machen:
  1. Fokus: Firmen sollten auf dem Gebiet bleiben, auf dem sie sich gut auskennen und wirklich stark sind. Sonst ist nicht möglich, den Gründern mit ihren Geschäftsmodellen weiterzuhelfen. Auch Synergien seien sonst nur schwer herzustellen.
  2. Team: Großen Firmen fällt es schwer, die besten und begabtesten Gründer und Gründerteams zu identifizieren. Wirklich starke Persönlichkeiten würden sich nur selten an die großen Unternehmen wenden, weil sie um ihre Unabhängigkeit fürchten.
  3. Incentives: Junge Firmen brauchen für den Start eine Menge Eigenkapital. Hier sind Firmeninkubatoren oft zu vorsichtig. Man will zu schnell Ergebnisse und Rendite sehen. Vorher gibt es nur wenig Geld. Oft zu wenig, um durchschlagenden Erfolg zu haben.
  4. Schnelle Entscheidungen: Für junge Unternehmen sind die Entscheidungswege in großen Firmen zu intransparent. Oft dauert es viel zu lange, bis wichtige Entscheidungen getroffen werden. Bei Neugründungen – gerade im digitalen Bereich – überlebt aber oft nur der schnellste.
  5. Synergien: Nur selten wird eine Verbindung zwischen dem traditionellen Geschäft der großen Firmen und ihren Neugründungen hergestellt. Dabei könnte man viel effektiver und erfolgreicher sein, wenn Synergien geschaffen würden.
  6. Kultur: Große Traditionsfirmen haben oft eine Unternehmenskultur, die sich nicht mit dem jungen, schnellen Gründergeist verträgt. Bei Startups will sich jeder Mitarbeiter als Mitinhaber fühlen. Und nicht nur als Angestellter eines unübersichtlichen Riesenkonzerns.
Die lange und nicht immer erfolgreiche Geschichte von Corporate Venture seit den 60er Jahren zeichnet aus US-amerikanischer Perspektive eine zweiteigige Artikelserie (Teil 1 hier und Teil 2 hier) nach. Sie sieht gute Chancen, dass Corporate Venture aus seinen Fehlern gelernt hat und heute besser gerüstet ist, um aus der Zusammenarbeit mit Startups auch wirklich alles herauszuholen.

Soviel also zur Rückbetrachtung und zur aktuellen Situation. Warum aber ist Corporate Venture wieder am Kommen und wohin führt das ganze? Meine Hypothese ist, der Trend liegt im sich fundamental verändernden Innovationsregimen begründet. Die Investitionsaufwendungen verschieben sich tendenziell zu den Großkonzernen, die eine noch zentralere Rolle im Innovationsprozess einnehmen, dabei aber ihr eigenes Innovationsverhalten ändern. Open Innovation und globalisierte Innovationsprozesse sind weitere Indizien für diese Veränderungsprozesse. Innovationsprozesse werden ausgelagert an Partner, danach aber wieder in die eigenen Prozesse integriert. Kleine und junge Unternehmen sind die krativen Werkbänke der Großen, sie werden erst unterstützt und dann einverleibt. Die Pharma-/Biotechbranche hat es vorgemacht, andere Branchen werden Stück für Stück folgen, wie z.B. die Zeitungsverlage - Beispiel Holtzbrinck Ventures, die so die Digitalisierung ihrer Branche zu überleben hoffen.

Was sich perspektivisch ändert, ist das Konzept des Unternehmens selber. Es ist keine klar definierte und nach außen abgegrenzte Organisation mehr, es hat offene Schnittstellen, Sateliten in seinem näheren Umfeld und des ist auch räumlich nicht mehr auf ein Land einzugrenzen. Somit ist die wachsende Bedeutung von Corporate Ventures zwar wichtig für die Gründerszene, aber viel eher ist es ein Indiz für sich verändernde Unternehmenslandschaften bei traditionellen Konzernen. Ein Krisensymptom sozusagen, oder ein weitererevolutionärer Schritt in der Entwicklung des Modells Unternehmen. 

P.S. Das Handelsblatt hat gerade einen kleinen Artikel veröffentlicht, in dem die zunächst etwas skurril klingende Idee beschrieben wird, dad Gründer als Retter der Nachfolgeprobleme von Familienunternehmen herbeieilen. Großunternehmen übernehmen Gründer, diese übernehmen Familienunternehmen...

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