Dienstag, 6. August 2013

Frankenburger und soylent green

Gestern erschienen die ersten Meldungen über künstliches Fleisch, das - aus Muskelzellen auf der Petrischale gewachsen - als Burger in London der staunenden Öffentlichkeit präsentiert wurde. Das Medienecho war eher geteilt, britische Medien sprachen unter anderem vom Frankenburger. Teil der Meldung - vielleicht sogar der Anlass für das große Medieninteresse - war die Mitfinanzierung des Projekts durch Google-Gründer Sergey Brin, sozusagen der Brückenheilige der Innovation.

Ernährung ist ja ein durchaus interessantes Feld der Innovation mit weitreichenden Folgen. Napoleon lobte einstmals einen Preis für neue Konservierungsmethoden aus und belegte damit die Wichtigkeit des Themas für die Kriegsführung. Natürlich spielten Ernährungsfragen auch immer schon für die Gesundheitsfürsorge eine zentrale Rolle - heute sucht die Lebensmittelindustrie diese "natürliche" Funktion mit functional food weiter zu bedienen. Ohne Kühlschrank und Kühlkette wäre der Welthandel mit Lebensmitteln in der heutigen Form nicht denkbar.

Insgesamt sind echte Nahrungsmittelinnovationen aber eher selten, eigentlich essen wir doch weitgehend das selbe wie unsere Großeltern. Der Anteil der Innovationsausgaben am Branchenumsatz betrug in der Lebensmittelindustrie zuletzt nur magere 1,4%. Vielleicht hatte die Molekularküche ja nur aus Mangel an echten Innovationen so einen durchschlagenden Erfolg - wenn auch nicht in jedermanns Küche (zu umständlich und Geräte-intensiv), aber doch in der Gourmetliteratur.

Auch andere Lebensmittelforschung auf der Suche nach dem Ersatz für das blutige Steak adaptiert eher Essgewohnheiten, die andernorts nicht neu sind. Insekten als Eiweißlieferanten sind uns Mitteleuropäern weiterhin fremd, in Afrika und Asien aber keineswegs exotisch. Aber auch bei dieser Innovation liegt der Teufel scheinbar im Detail....

Auf jeden Fall sind Ernährungsinnovationen mit viel Emotionen belegt, wie das Essen ja insgesamt. Künstliche Lebensmittel wie die sprichwörtliche Astronautenkost standen einmal für die Zukunft schlechthin, künstliche Aromastoffe hingegen sind heute eher der Beweiß, dass nichts mehr so ist wie in der guten alten Zeit. Eine ganze Bio-Branche lebt davon, sich von der Alltagslebensmittelerzeugung abzusetzen.

Angesichts des eingangs geschilderten künstlichen Fleisches fragte der Guardian gleich, in welchem Land den eigentlich am meisten Fleisch gegessen wird. Deutschland zieht da gleichauf mit Großbritannien. Den Fleischkonsum hinterfragte jüngst. auch der Fleischatlas der Böll-Stiftung. Den Wahlkampf bereicherte Renate Kühnast gestern in der Bildzeitung mit der Forderung nach einem Veggy-Day. Da stellt sich schon die Frage, ob Vegetarier das künstliche Fleisch essen dürfen oder nicht - Tiere sterben deshalb auf jeden Fall nicht.

Dazu muss der Frankenburger aber erst einmal massenmarkttauglich sein, und das scheint noch etwas zu dauern. Ich muss bei dem Frankenburger dann doch an einen Klassiker der Filmgeschichte denken, nämlich an soylent green ...

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