Gestern Abend war ich auf einer Podiumsdiskussion zum Thema
„Bessere Politik durch Evaluation?“. Ich hatte Dir dazu ja schon die
Veranstaltungseinladung geschickt.
Das Leitthema wurde gleich zu Beginn etwas in Frage
gestellt, als der Moderator Dirk Asendorpf ins Publikum fragte, wie viele der
Anwesenden Evaluatoren, wie viele Auftraggeber von Evaluationen und wie viele
aus dem Bereich der Politik seien. Evaluatoren und ihre Auftraggeber verteilten
sich in etwa hälftig, die Politik war praktisch nicht vertreten. Vielleicht
machte das schon ein Problem deutlich (die Politik interessiert sich eigentlich
nicht für Evaluation?), vielleicht lag es aber auch eher an der Frage, was
überhaupt mit Politik in diesem Kontext gemeint ist. Prof. Thomas Widmer aus
der Schweiz, einer der Diskutanten, brachte diese Frage gleich zu Beginn auf.
Ist Politik die Verwaltung in den Ministerien, oder ist Politik nur die
politische Leitung der Ministerien, ist sie die vielleicht auch nur die
Parteipolitik in Person der Abgeordneten? Das ist eine durchaus relevante
Frage, da davon auch die möglichen Wirkungen abhängen. Prof. Reinhard Stockmann
vom Centrum für Evaluation der Universität des Saarlandes, ein weiterer
Diskutant, zitierte amerikanische Studien, nach denen Evaluationen auf der
Verwaltungsebene sehr wohl zu verändertem Handeln führen, während die Effekte
auf der parteipolitischen Ebene praktisch gleich Null sind. Und Hr. Widmer
ergänzt, dass dies auch möglicherweise sehr rational sei, da sich gute Politik
durch Information, aber auch durch Ideologie und Interessen getrieben sei. Die
„evidence based policy“ sei also gar nicht die perfekteste aller Welten (was er
wörtlich nicht so sagte, ich aber zwischen den Zeilen raushörte).
Ein weiterer Diskussionsschwerpunkt widmete sich der Frage,
ob wir mehr Evaluationen strategischer Politikansätze und ganzer Politikfelder
brauchen, und dann auch andere Institutionen, die diese strategischen Evaluationen
beauftragen und durchführen können. Mit auf dem Podium saß nämlich auch
Michaela Zintl, die bis vor kurzem kommissarische Direktorin des Deutschen Evaluationsinstituts der
Entwicklungszusammenarbeit (DEval). Dieses Institut wäre sicher besser in
der Lage, solche übergreifenden Evaluierungen durchzuführen. Oder
vielleicht auch nicht? Zumindest hat das erst vor drei Jahren gegründete
Institut wohl schon sehr turbulente Anfangstage hinter sich, mit einem nur kurz
amtierenden Gründungsdirektor, mit einer kommissarischen Direktorin, die vom
Hauptauftraggeber BMZ entsandt wurde und gestern wie gesagt auch auf dem Podium
saß. Mit war diese Vorgeschichte nicht präsent gewesen (hier
ein interessanter Artikel aus dem letzten Jahr mit einem Interview des
entlassenen Gründungsdirektors), gestern Abend schwang sie auf jeden Fall
deutlich mit und führte zur wiederkehrenden Thematisierung des Frage nach
Unabhängigkeit.
Ein kleines Nebengefecht entwickelte sich um das Verhältnis
von Evaluation und Journalismus. Mehrere Diskutanten warfen dem Journalismus
relativ plakativ vor, Evaluationsergebnisse zu verdrehen und nicht zu verstehen
und so zu einer dramatisierenden Berichterstattung zu führen, die manchen
Institutionen keine andere Wahl lasse als Evakuationsbericht nicht zu
veröffentlichen. Von der anderen Seite wurde dagegengehalten, dass
Evaluationsberichte ja häufig kaum lesbar und verständlich seien und die
Zusammenfassungen in verständlicher (leichter?) Sprache dann nur noch
weichgespülte Werbetexte für die Öffentlichkeitsarbeit enthielten.
Ein letztes Diskussionsschwerpunkt wurde durch den vierten
Podiumsgast, Frau Angelika Flatz aus dem österreichischen Bundeskanzleramt,
bestimmt, die das neue System der Wirkungsorientierten Haushaltsführung vertrat
(hier
eine Studie der Hertie School of Governance aus dem letzten Jahr zum Thema).
Kurz gesagt geht es darum, für jedes Ressort verbindliche Ziele und
Zielerreichungsindikatoren zu bestimmen und dies mit der Haushaltsführung (und
ggf. auch der Budgetzuweisung) zu verknüpfen. Frau Flatz war sehr
enthusiastisch und pries vor allem die Veränderungen im Kopf der Beteiligten,
die sich nun systematisch Gedanken machen müssen, welche Effekte sie mit ihrer
Politik eigentlich erreichen wollen und welche Wirkannahmen diesem Handeln
zugrunde liegen. Leider ging sie nicht wirklich auf die Frage des Moderators
ein, ob ein solches Kennzahlen-basiertes Steuerungssystem nicht schnell zu
einer Politik der einfachen (weil messbaren) Schritte führt. Mir sind aus Österreich
im Politikfeld Innovations- und Technologiepolitik auch schon ein Reihe sehr
kritischer Stimmen zu Ohren gekommen. Aber es war gestern ja kein
österreichischer Abend, sondern ging vor allem um Deutschland.
Unterm Strich ein spannender Abend, aber ich bin eher mit
Fragen als mit Antworten zum Thema „Bessere Politik durch Evaluation“
herausgekommen.
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