Freitag, 13. November 2015

Bessere Politik durch Evaluation?


Gestern Abend war ich auf einer Podiumsdiskussion zum Thema „Bessere Politik durch Evaluation?“. Ich hatte Dir dazu ja schon die Veranstaltungseinladung geschickt.

 

Das Leitthema wurde gleich zu Beginn etwas in Frage gestellt, als der Moderator Dirk Asendorpf ins Publikum fragte, wie viele der Anwesenden Evaluatoren, wie viele Auftraggeber von Evaluationen und wie viele aus dem Bereich der Politik seien. Evaluatoren und ihre Auftraggeber verteilten sich in etwa hälftig, die Politik war praktisch nicht vertreten. Vielleicht machte das schon ein Problem deutlich (die Politik interessiert sich eigentlich nicht für Evaluation?), vielleicht lag es aber auch eher an der Frage, was überhaupt mit Politik in diesem Kontext gemeint ist. Prof. Thomas Widmer aus der Schweiz, einer der Diskutanten, brachte diese Frage gleich zu Beginn auf. Ist Politik die Verwaltung in den Ministerien, oder ist Politik nur die politische Leitung der Ministerien, ist sie die vielleicht auch nur die Parteipolitik in Person der Abgeordneten? Das ist eine durchaus relevante Frage, da davon auch die möglichen Wirkungen abhängen. Prof. Reinhard Stockmann vom Centrum für Evaluation der Universität des Saarlandes, ein weiterer Diskutant, zitierte amerikanische Studien, nach denen Evaluationen auf der Verwaltungsebene sehr wohl zu verändertem Handeln führen, während die Effekte auf der parteipolitischen Ebene praktisch gleich Null sind. Und Hr. Widmer ergänzt, dass dies auch möglicherweise sehr rational sei, da sich gute Politik durch Information, aber auch durch Ideologie und Interessen getrieben sei. Die „evidence based policy“ sei also gar nicht die perfekteste aller Welten (was er wörtlich nicht so sagte, ich aber zwischen den Zeilen raushörte).

 

Ein weiterer Diskussionsschwerpunkt widmete sich der Frage, ob wir mehr Evaluationen strategischer Politikansätze und ganzer Politikfelder brauchen, und dann auch andere Institutionen, die diese strategischen Evaluationen beauftragen und durchführen können. Mit auf dem Podium saß nämlich auch Michaela Zintl, die bis vor kurzem kommissarische Direktorin des Deutschen Evaluationsinstituts der Entwicklungszusammenarbeit (DEval). Dieses Institut wäre sicher besser in der Lage, solche übergreifenden Evaluierungen durchzuführen. Oder  vielleicht auch nicht? Zumindest hat das erst vor drei Jahren gegründete Institut wohl schon sehr turbulente Anfangstage hinter sich, mit einem nur kurz amtierenden Gründungsdirektor, mit einer kommissarischen Direktorin, die vom Hauptauftraggeber BMZ entsandt wurde und gestern wie gesagt auch auf dem Podium saß. Mit war diese Vorgeschichte nicht präsent gewesen (hier ein interessanter Artikel aus dem letzten  Jahr mit einem Interview des entlassenen Gründungsdirektors), gestern Abend schwang sie auf jeden Fall deutlich mit und führte zur wiederkehrenden Thematisierung des Frage nach Unabhängigkeit.

 

Ein kleines Nebengefecht entwickelte sich um das Verhältnis von Evaluation und Journalismus. Mehrere Diskutanten warfen dem Journalismus relativ plakativ vor, Evaluationsergebnisse zu verdrehen und nicht zu verstehen und so zu einer dramatisierenden Berichterstattung zu führen, die manchen Institutionen keine andere Wahl lasse als Evakuationsbericht nicht zu veröffentlichen. Von der anderen Seite wurde dagegengehalten, dass Evaluationsberichte ja häufig kaum lesbar und verständlich seien und die Zusammenfassungen in verständlicher (leichter?) Sprache dann nur noch weichgespülte Werbetexte für die Öffentlichkeitsarbeit enthielten.

 

Ein letztes Diskussionsschwerpunkt wurde durch den vierten Podiumsgast, Frau Angelika Flatz aus dem österreichischen Bundeskanzleramt, bestimmt, die das neue System der Wirkungsorientierten Haushaltsführung vertrat (hier eine Studie der Hertie School of Governance aus dem letzten Jahr zum Thema). Kurz gesagt geht es darum, für jedes Ressort verbindliche Ziele und Zielerreichungsindikatoren zu bestimmen und dies mit der Haushaltsführung (und ggf. auch der Budgetzuweisung) zu verknüpfen.  Frau Flatz war sehr enthusiastisch und pries vor allem die Veränderungen im Kopf der Beteiligten, die sich nun systematisch Gedanken machen müssen, welche Effekte sie mit ihrer Politik eigentlich erreichen wollen und welche Wirkannahmen diesem Handeln zugrunde liegen. Leider ging sie nicht wirklich auf die Frage des Moderators ein, ob ein solches Kennzahlen-basiertes Steuerungssystem nicht schnell zu einer Politik der einfachen (weil messbaren) Schritte führt. Mir sind aus Österreich im Politikfeld Innovations- und Technologiepolitik auch schon ein Reihe sehr kritischer Stimmen zu Ohren gekommen. Aber es war gestern ja kein österreichischer Abend, sondern ging vor allem um Deutschland.

 

Unterm Strich ein spannender Abend, aber ich bin eher mit Fragen als mit Antworten zum Thema „Bessere Politik durch Evaluation“ herausgekommen.

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