Samstag, 7. November 2015

Big Data?

Wenn sich die Qualität einer Veranstaltung an dem Grad bemisst, den sie zum Nachdenken anregt, so war ich letzte Woche auf einer wirklich interessanten Veranstaltung. Organisiert hatte sie das Alexander von Humboldt -Institut für Internet und Gesellschaft , eingeladen waren die neue Deutschland -Chefin des Google NewsLab und ein Soziologe der London School of Economics. Beide sollten über das Veranstaltungsthema Big Data sprechen, natürlich jeweils aus ihrer individuellen Perspektive und vor dem Hintergrund ihrer Tätigkeit. Und da lagen schon zwei Probleme der Veranstaltung. Beide Redner sprachen nur sehr bedingt über BIG Data, und beide hatten einander wenig zu sagen.
Die Google Frau spulte eher eine Werbepräsentation ab. Google hat ja in den letzten Monaten ein Angebote für Zeitungen bereitgestellt, um die Journalisten dort im Umgang mit Daten und Grafiken und der Visualisierung zu schulen. Wenn man auf die Website schaut, sieht das wirklich auch ganz beeindruckend aus. Aber natürlich sind auch eine Reihe von kritischen Fragen damit verbunden, zum Beispiel, ob hier ein Konzern nicht sehr viel Einfluss bekommt auf die sogenannte vierte Gewalt.
Entsprechend wurde auch nach dem Vortrag letzte Woche nachgefragt. Und Zahlen sind natürlich nicht alles, wie dieser Artikel zu Pegida zeigt. Aber Datenjournalismus führt auch zu sehr ansprechenden und informativen Ergebnissen. Wobei sie nicht unbedingt etwas mit Big Data zu tun haben, also mit wirklich großen Datenmengen und einer analytischen Auswertung. Es geht eher deskriptiv um die Beschreibung von Daten in ansprechenden Bildern. Letztlich war auch der Vortrag des Londoner Soziologen auf einer ähnlichen Ebene angesiedelt. Auch hier ging es leider nicht darum, wie sie wirklich große Datenmengen zum Beispiel aus sozialen Netzwerken durch soziologische Analysen genutzt werden können, sondern eher darum, wie man Daten schöner darstellen und damit seine Aussagen besser untermauern kann. Zumindest waren das die Beispiele, die de Herr aus London uns präsentierte.
Dass das auch anders geht, blitzt an einer Stelle der Diskussion auf. Unser britischer Gast gab zu, dass er am liebsten Zugriff auf die Daten von Tesco hätte, der britischen Einzelhandelskette, um hier auch Sozialdaten nutzen zu können. Woran sich sogleich die Nachfrage anschloss aus dem die Publikum, ob es denn ethisch zulässig sei, Daten von Unternehmen zu nutzen, deren Kunden nie eingewilligt hätten, Objekt einer soziologischen Untersuchung zu werden.
Wie fruchtbar der kontroverse Dialog zwischen Sozialwissenschaft und Datenjournalismus sein kann, zeigt dieser Bericht über eine Tagung im Herbst. Da versuchen Sozialwissenschaftler, ihren privilegierten Zugang zur Datengenerierung und Interpretation tapfer zu verteidigen, während Journalisten die neuen Möglichkeiten nutzen, um selbst zu einer quasi sozialwissenschaftlichen Rolle zu kommen. Die Grenzen zwischen Wissenschaft und Nichtwissenschaft verschwimmen.
Sei's drum, mich hat die Veranstaltung angeregt. Und Datenjournalismus finde ich eh super. Tollen Datenjournalismus und interaktive Graphiken bietet z. B. die Berliner Morgenpost mit ihrem interaktiven Team. Sonst nicht meine Zeitung, aber das machen sie gut.

P.S. Hier ganz  neu ein Artikel der Veranstalter zur soziologischen Seite des ganzen

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