Samstag, 9. April 2016

Ungleichheit

Seit ein paar Wochen nimmt in deutschsprachige Medien eine Debatte zum Thema Ungleichheit Fahrt auf. Ausgangspunkt ist das neue Buch von Marcel Fratzscher, dem Chef des DIW, mit dem Titel Verteilungskampf. Ich habe das Buch über Ostern gelesen. Wenn man sich bereits ein bisschen in die Debatte eingelesen hat, bringt das Buch wenig Neues. Es ist populärwissenschaftlich und verständlich geschrieben, es spricht die wesentlichen Argumente an, an einigen Stellen fehlt mir die Tiefe, da hätte ich schon gern mehr gewusst. Die Grundthese eines ungleichen und damit auch ungerecht in Deutschland scheint mir aber plausibel. Fratzscher hat sein Buch in mehreren Interviews promoted, zuletzt heute früh im Tagesspiegel. So war auch ich vor ein paar Wochen über das Buch gestolpert und hatte es mir zugelegt.

Die Kritiker von Fratzscher reiben sich insbesondere an zwei Argumenten. Zum einen wird das Argument angezweifelt, dass sich mehr Gleichheit in einer Volkswirtschaft auch wirtschaftlich lohnt und mehr Wachstum bringt. Hier bezog sich Fratzscher auf eine Studie der OECD, die aber von mehreren Quellen auch angezweifelt wird. Wie z.B. die NZZ schreibt, gibt  es mehrere Studien, die nicht glauben dass mehr Gleichheit kostenlos ist.

Ob die Rechnung in der OECD richtig oder falsch sind, kann ich nicht bewerten. Mir scheint aber die Gegenthese höchste unplausibel, dass nämlich Ungleichheit immer als Antriebe wirkt für Leistung und Wachstum. Es geht ja in der Diskussion gerade um sehr ausgeprägte Ungleichheit, um immer reicher werdende Reiche. Und ab einem gewissen absoluten Wert ist solche Reichtum nur noch obszön, nicht mehr motivierend.

Außerdem wird Fratzscher entgegengehalten, das Deutschland aufgrund der Globalisierung unter einem stärkeren Lohndruck steht, der dann durch staatliche Umverteilung ausgeglichen werden muss. So wurde zum Beispiel jüngst in einem Artikel der Zeit noch einmal diskutiert.

Der Wirtschaftsblog der Süddeutschen Zeitung schlägt sich auf Fratzschers Seite und verknüpft seine Thesen mit den aktuellen Entwicklungen rund um die Offshore-Konten.

Was mir bei Fratzschers Buch ein wenig fehlt, ist die Sicht auf die Wirkung von Innovationen und  neuen Technologien. Zum einen wird das ja zur Zeit in Deutschland recht heftig diskutiert mit Blick auf Automatisierung und Roboter, also die Zukunft der Arbeit. Zum anderen sind die Veränderungen vermutlich deutlich breiter und tiefer. Brynjolfsson und McAfee haben das in ihrem Buch zum Rage Against the Machine schöne herausgearbeitet.

Ich hatte genau dazu über Ostern noch ein zweites Buch gelesen: average is over von Tyler Cowen. Dieser garniert seine Argumentation für mein Verständnis zwar etwas zu stark mit Beispielen aus der Schachwelt. Gleichzeitig zeigt er aber sehr anschaulich, wie Ungleichheit auf einer ganz anderen Ebene immer weiter zunehmen wird. Zwischen den top innovativen Firmen und dem Rest (siehe zum Beispiel diese aktuelle Studie der OECD, zwischen den wenigen städtischen Innovationszentren und dem platten Land (siehe zum Beispiel die immer stärkere Konzentration von Gründern in Zentren wie Berlin), oder auch zwischen globalen Elite-Unis und dem Rest der weltweiten Universitätslandschaft.

Und ob die Innovationsstärke zwischen den europäischen Mitgliedstaaten und ihren Regionen mittelfristig eher auseinanderdriftet oder konvergiert, scheint mir noch offen zu sein. Zumindest meldet der aktuelle Bericht der Kommission hierzu im Moment wieder einen leichten Konvergenz-Trend auf Mitgliedstaatsebene, während die Regionen zum Teil zumindest auseinanderdriften.

Average is over, Ungleichheit muss man aber trotzdem nicht hinnehmen!

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