Freitag, 1. April 2016

Tay 2

Heute hat die Süddeutsche noch einmal die Abenteuer von Tay, Microsofts Chatbot, in einem Feuilleton-Artikel aufgegriffen, auf den ich schon in meinem letzten Blog eingegangen bin. Es ist der bisher lustigste und tiefsinnigste Artikel, den ich zu dem Thema gelesen habe. Tay wurde ja eine Art Gehirnwäsche unterzogen. Die Süddeutsche kommentiert das in ihrem Untertitel: "Wie praktisch: Rassistische Beleidigungen in sozialen Medien kann man jetzt auch maschinell erledigen lassen." Natürlich ist das schon längst der Fall, alle möglichen Bots tummeln sich in sozialen Netzwerken, schreiben Kommentare und manipulieren die scheinbare Lesermeinung. Ein Projekt zu sozialen Bots wird zum Beispiel zur Zeit im Rahmen der Innovation und Technik Analysen des BMBF gefördert. Auch der eingangs zitierte Text der Süddeutschen geht auf dieses Phänomen einen und rät dem Nutzer, eine Art Tuning-Schnelltest anzuwenden, wenn man sicher gehen möchte, dass man es mit einem Menschen und nicht mit einer Maschine zu tun hat.
Gibt man sich aber, zumindest bei einem wohlwollenden und vielleicht sogar ganz charmanten Chat-Programm, der Illusion hin, es mit einem intelligenten gegenüber zu tun zu haben, so eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten der virtuellen sozialen Interaktion. Wir werden es demnächst mit vielen solcher Dialogmöglichkeiten zu tun haben, zumindest, wenn Microsoft seine Pläne realisiert, die der Konzern auch just in diesen Tagen praktisch zeitgleich vorgestellt hat ( Zufall, raffinierte Strategie oder PR-GAU?). Cortana, sozusagen das Siri von Microsoft, soll demnächst in alle möglichen Apps und Anwendungen einfließen, und soll sogar an Drittenutzer lizensiert werden.
Wird das eine Art immaterieller Aibo, ein treuer Freund und Begleiter durch alle Lebenslagen? Wird die Vereinsamung, die uns als Online-Shopper auf dem Sofa bedrohte, durch nette Chat-Robots aufgebrochen? Tauchen wir bald ein in die schöne neue virtual reality künstlicher Freunde, die auch den introvertiertesten Nerd zu einem echten sozialen Wesen machen?
Oder wird es uns gehen wie Theodore aus dem Film von Spike Jonze? Werden wir uns in unsere neue künstliche Freundin verlieben? Wird das das Ende aller echten sozialen Kontakte sein? Wozu noch raus auf die Straße und mit wirklichen Menschen sprechen? Wozu das Risiko muffiger Antworten und schnippische Kommentare eingehen? Lieber Säusellevel 4 eingeben und einen netten Plausch mit dem Smartphone halten.
Bis dahin muss Microsoft allerdings noch dafür sorgen, dass unser netter digitaler Partner nicht durch die bösen Menschen verdorben wird.

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